Dorfgeschichte

Das Schloss zu Ellingshausen

Ellingshausen, 9,8 km ostsüdöstlich von Meiningen gelegenes Kirchdorf mit 273 Einwohnern, an der Ausmündung des Haselthales; ehedem zu den adligen Lehndörfern des hennebergischen Amtes Massfeld gehörig.

923 schenkt die fromme Einhilt, welche im Grabfeld und in der Haselgegend begütert war, ihre Besitzungen zu Eigilgereshusen dem Kloster Fulda (Dobenecker, Reg. I, 332). Die früheren adligen Besitzer des Ortes sind nach einander die Familien am Berg (ein Gut zu Elichshusen ist 1415 von Graf Wilhelm zu Henneberg an Balthasar am Berg verliehen, Henneb. Urk. VI, 22), Schaumberg, Wechmar, Meuser, Truchsess, Herda. Nach dem Aussterben dieser Herdaschen Linie (1573) fiel Ellingshausen (mit der Wüstung Boppenroda) der Herrschaft anheim und wurde sodann dem hennebergischen Hofmarschall Hans Bose als Mannlehen überlassen. In dem von ihm ausgestellten Lehensrevers gab er dem Grafen Georg Ernst die Versicherung, das ihm verliehene Lehen nicht der Ritterschaft des Landes Franken steuerpflichtig werden zu lassen, sondern so wie andere in der Grafschaft Gesessene von Adel seine Vasallendienste zu leisten (Schultes, Beschreibung, S. 74). Die Familie v. Bose besass das Rittergut Ellingshausen bis 1820, wo es an die Familie Strassburger überging. Von 1843 an bildete es einen Domänenbesitz, ward aber neuerdings wieder von einem Privaten, Major a. D. Gustav Hein, erworben. Aus dessen Händen überkam 1902 ein Sprössling des alten Boseschen Geschlechts, Herzoglich S.-Meining. Kammerherr Graf Gebhard v. Bose, ältester Enkel des Generals der Infanterie v. Bose, das Gut seiner Ahnen, um es 1902 in ein gräflich v. Bosesches Familienfideicommiss umzuwandeln. — Das massive Schlossgebäude, zu dem ein geräumiger Wirthschaftshof gehört, ist 1604 erbaut.

Der Hauptbau ist eine künstlerisch reizvolle Schöpfung aus dem Jahre 1604. Er lehnt sich an einen wesentlich älteren rechteckigen Thurm, welcher wohl der Rest einer Kemenate des Mittelalters ist. Die Aussenmauern dieses Thurmes sind kunstlos, in der Art eines Bergfrits des späten Mittelalters. Das Dach ist ein schlichtes Satteldach. Im Innern des Thurmes befindet sich ein Raum, welcher mit zwei Kreuzgewölben überdeckt ist. Hier soll sich ehemals die Kirche befunden haben. Demnach ist diese eine Burgkapelle gewesen. An der Rückwand befand sich ein Steinrelief mit der Darstellung des segnenden Gott Vater als Halbfigur. Dieses Relief mit der Jahreszahl 1603 befindet sich jetzt in Meiningen an der Aussenfront des Henneberger Hauses in der Georgstrasse. Die Mauern des Thurmes sind an der Stelle der Kapelle 0,80 m dick. Der Fussboden der Kapelle liegt 14 Stufen über dem Garten.

Der Schlossbau, welcher im Jahre 1604 vollendet wurde, ist ein zweistöckiger Bau mit hohem Satteldach. Von grossem künstlerischen Interesse ist der Treppenthurm, welcher auf unserer Abbildung dargestellt ist. Das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss sind rund. Darüber folgt ein achteckiges Geschoss. Auf dieses ist durch Vermittlung von mächtigen, weit herauskragenden Steinconsolen ein mit Voluten verzierter Giebel aufgesetzt. Architektonisch sehr reizvoll ist die Art, wie die verschiedene Grundform der einzelnen Geschosse unter einander verbunden ist: Das kräftige Kranzgesims, welches von dem Rundbau zu dem achteckigen Obergeschoss überleitet und die grossen Consolsteine, welche das Giebeldach des Thurmes tragen. Das Thor des Thurmes ist rundbogig. In den steinernen Thürsturz ist eine Volutenbekrönung eingemeisselt, welche eine Erinnerung an den Kielbogen des gothischen Stils bildet. Diese breit gedrückten Kielbogen sind in der Meininger Gegend mehrfach um das Jahr 1600 ausgeführt. Die Fenster des Thurmes, wie des ganzen Schlosses sind rechteckig, mit profilirten Umrahmungen, welche nicht ganz bis an den Fuss der Fensterpfosten herabgeführt sind. An dem Fenster über dem Thor des Treppenthurmes steht die Jahreszahl 1604 und das Steinmetzzeichen:

An den übrigen Theilen der schlichten Schlossmauern sind die Umrahmungen der Fenster durch wiederholte Umbauten vielfach verändert. Der einheitliche künstlerische Eindruck ist dadurch zerstört. Im Innern des Schlosses sind bemerkenswerth eine kleine Anzahl von Gemälden alter Meister im Besitz des Grafen Bose. Darunter ist hervorzuheben das grosse figurenreiche Bild aus der Werkstatt Lucas Cranachs des Aelteren: „Die Messe des Heiligen Gregor“. Das Gemälde stellt die Erscheinung dar, welche der Papst Gregor der Grosse vor dem Jerusalemsaltar der Kirche Santa Croce in Gerusalemme zu Rom hatte. Der Papst kniet mit zwei Geistlichen vor dem Altar. Auf diesem steht ein Sarkophag, das heilige Grab, aus welchem Christus aufgestanden ist, um dem Papste und seiner Umgebung die von neuem fliessenden Wundermale zu zeigen. Ueber dem Altar erscheinen in den Wolken die Sinnbilder des Leidens Christi: die drei Nägel vom Kreuze, Hammer, Zange, Lanze, das Haupt des Judas, an dessen Hals der Beutel mit den dreissig Silberlingen hängt, Pilatus mit Turban, die Hände waschend, daneben der Kopf seiner Frau und ein anderer Kopf, welcher trotz der Bischofsmütze wohl auf Herodes gedeutet werden muss. In diesem Gewölk schweben auch sieben Engel, unbekleidete Kinderfiguren mit den naturalistisch gezeichneten Zügen der Cranach-Schule. Hinter dem Papst stehen sechs Männer, wohl sämmtlich Porträts, unter diesen ein Bischof, welcher die dreifache Krone des Papstes in den Händen hält. Dieser letztere ist wohl der Besteller des Bildes.

Denn in ganz ähnlicher Weise ist auch auf einem Bilde der Werkstatt Cranachs in der Gemäldegalerie zu Aschaffenburg der Kardinal Albrecht von Brandenburg dargestellt, wie er die Krone des Papstes Gregor in den Händen hält. In Cranachs Werkstatt ist die Messe des Heiligen Gregor in der Zeit um 1520-1525 verschiedentlich gemalt. Zwei Gemälde befinden sich in Aschaffenburg*). In jedem der Bilder ist die Composition verändert. Die beiden Aschaffenburger Bilder wurden bis zur Dresdener Cranach-Ausstellung dem „Pseudogrünewald“ zugeschrieben. Seitdem sind sie als Werke eines unbekannten Malers in der Werkstatt Cranachs erkannt. Friedländer nennt das Aschaffenburger Gemälde mit dem stehenden Kardinal Albrecht von Brandenburg eine „mittelmässige Arbeit im Cranach-Stil, um 1525 entstanden, maniriert und gefühllos, kalt in der Färbung, von derselben Hand ausgeführt, wie mehrere andere Bilder dieser Gruppe, z. B. die Beweinung Christi in der Augsburger Galerie“. Dasselbe gilt von dem Gemälde im Schloss zu Ellingshausen. Für die Erforschung der Herkunft des Gemäldes sind von Wichtigkeit die beiden Wappen am unteren Rande des Bildes. Auf dem einen Wappen ist ein Bauer mit dem Dreschflegel, auf dem anderen ein weisser Vogel mit hochstehenden Flügeln (Taube?) dargestellt.

Von einem anderen ehemaligen Schloss unterhalb des Kirchhügels sind noch einige Mauern erhalten, welche zum Bau einer Scheune verwendet worden sind. An der einen Mauer befindet sich noch ein Gesims im Charakter des spätesten gothischen Stils. An einer etwa 31/2 m hohen Mauer ist der Stein eines ehemaligen Bogens erhalten, dessen Formen auf die Zeit um das Jahr 1600 deuten. Dieses Schloss soll nach mündlicher Ueberlieferung um 1850-1860 abgerissen sein.

An den alten Häusern des Dorfes sind einige Bautheile bemerkenswerth:

  • Ein aus Stein gemeisseltes Portal mit der Jahreszahl 1604 befindet sich an dem Hause Nr. 45. Der Thürsturz hat an der Unterseite einen spitzen Einschnitt, welcher noch an den Kielbogen des gothischen Stils erinnert. Dieser Thürsturz wird von zwei schön geimeisselten Consolsteinen getragen.
  • Holzfachwerk mit reizvoll angeordneten Zahnschnitten, wohl Anfang des 17. Jahrhunderts, Haus Nr. 15.
  • Ein Rundbogenthor, aus schräg gestellten Hölzern ausgeschnitten, aus dem Jahre 1706, mit der Inschrift am Thürsturz: „G. H. L. 1706. H. S.“, am Hause Nr. 30.
  • Ein Thürklopfer aus Schmiedeeisen mit einem in das Eisen geschnittenen Gesicht, wohl aus der Zeit um 1600, an dem Hause Nr. 16.
  • Unter der Dorflinde ist ein Steinkreuz aus dem Jahre 1569 in die dort stehende Gartenmauer eingelassen. Auf dem Schaft des Kreuzes ist ein Messer in den Stein gemeisselt. Ein ähnliches Messer ist auf dem Steinkreuz an der Brückenkapelle zu Creuzburg a. d. Werra dargestellt.
Steinkreuz unter der Dorflinde
Hausthür aus dem Jahre 1604

*) Siehe Max J. Friedländer, Die Tafelmalerei des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Döring und Voss, Meisterwerke der Kunst aus Sachsen und Thüringen, S. 14, Lichtdrucktafel 16. — Katalog der kunsthistorischen Ausstellung in Erfurt 1903, Nr. 9a. Das andere Bild befand sich 1899 auf der Cranach-Ausstellung in Dresden. Siehe den Katalog von Karl Woermann, Nr. 131.

Quelle:
Georg Voss: „Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens“, Band: „Herzogthum Sachsen-Meiningen / Kreis Meiningen“, S. 338f, S. 342ff, Jena, 1909

Hinweis:
Der Text entspricht dem Forschungsstand von vor über 100 Jahren. Er ist daher z. T. veraltet oder durch neuere Erkenntnisse überholt.