
Nun schwebt’s Mariele wieder hoch droben
Taufengel aus der Zeit um 1770 wurde restauriert und vor wenigen Tagen mit einer Taufe in der Ellingshäuser Kirche eingeweiht
Ellingshausen. Aus der Zeit um 1770 stammt der Taufengel, der seit kurzem wieder über den Köpfen der Gottesdienstbesucher in der Ellingshäuser Kirche schwebt. Die Restauratoren haben sich viel Mühe gegeben, um aus der stark beschädigten Holzfigur das zu machen, was sie einmal war: Ein Symbol, das vor allem im 17. und 18. Jahrhundert bei Taufzeremonien weit verbreitet war.
Er sah bedauernswert aus, der kleine Engel, der zunächst im Chorraum und später dann in der Sakristei der Ellingshäuser Kirche ein verstaubtes Dasein fristete. So richtig in Vergessenheit geraten war die Holzfigur jedoch nie, denn die Ellingshäuser nannten sie liebevoll Mariele und sie gehörte einfach zur Kirchenausstattung. Die Arme waren weggebrochen, die Flügel fehlten und auch das Gesicht hatte einiges abbekommen. Offenbar war der Engel einmal aus großer Höhe heruntergefallen und dabei so stark beschädigt worden, dass er dann einfach beiseite gestellt worden ist.

Aus Altarraum verbannt
Mitte des 17. Jahrhunderts tauchten diese aus Holz geschnitzten Figuren vornehmlich in den protestantischen Kirchen auf. Grund dafür war vermutlich die Neugestaltung der Gotteshäuser, die in diesem Zeitraum fiel. Das protestantische Kirchenwesen breitete sich immer mehr aus. Den Beistand der Engel zu erbitten bei Anfechtungen des Lebens, das war ganz im Sinne Martin Luthers. Das ist möglicherweise auch darauf zurückzuführen, dass durch die Konzentration alleine auf Christus die vorreformatorische Verehrung und Fürsprecherfunktion der Heiligen ihre Bedeutung verloren hatte. „Angelns“ ist griechisch und bedeutet Bote und zwar ausdrücklich Bote Gottes – die Verbindung zwischen Gott und Mensch.
Im 19. Jahrhundert aber verschwanden die Taufengel wieder aus den Gotteshäusern. Sie wurden aus dem Altarraum verbannt und landeten oftmals vergessen auf den Dachböden. Aber trotzdem sind erstaunlich viele der Holzfiguren bis heute erhalten geblieben, wie auch das Mariele in der Ellingshäuser Kirche.
Kunsthistorikerin Ingrid Reißland, die seit 20 Jahren in Ellingshausen lebt, vermutet, dass dieser Taufengel wohl aus der Zeit des Umbaus der Kirche stammt. Die jetzige Kirche ist im Jahr 1775/76 entstanden. Diese Jahreszahl steht an der Westfassade, über der Kirchentür und über dem Fester, das sich dort befindet. Im Innern der Kirche zieht vor allem die Holzausstattung den Blick auf sich.
Der Kanzelaltar, der bis zur Orgel reicht, ist mit Rokokoschnitzereien versehen. Anders als in anderen Kirchen dieser Region ist das Holz allerdings nicht bemalt. Ingrid Reißland glaubt, dass damals einfach das Geld für die Bemalung nicht mehr gereicht hat. „Und das war vielleicht auch gut so, denn sonst würde das Ganze sehr überladen wirken“, meint sie.
Es gibt kein Taufbecken
Die Orgel stammt aus der Schlosskirche in Meiningen und das Orgelprospekt zeigt ebenfalls Schnitzereien. Ein Taufbecken indes sucht man in der Ellingshäuser Kirche vergebens, denn es gibt keins. Bei Taufen musste sich Pastorin Christina Söller mit Notlösungen behelfen. Und so wurde die Taufschale auf einen Hocker gestellt. „Doch das war natürlich immer nur ein Provisorium und der Würde der Taufzeremonie nicht angemessen“, erzählt die Pastorin.
Der Restauratorin Birgit Jünger und dem Holzbildhauermeister Erhard Dreßler ist es zu verdanken, dass der Taufengel der Ellingshäuser Kirche nun wieder zu Amt und Würden gekommen ist. „Es hat lange gedauert und die beiden Restauratoren haben sich sehr viel Mühe gegeben, denn von der Figur war nur noch der Torso vorhanden. Alle anderen Teile mussten völlig neu geschnitzt werden. Auch das Gesicht des Engels war stark beschädigt“, erinnert sich Ingrid Reißland.

Die Familie Reißland hat auch zwei Zinnschalen,für die Kirche gestiftet. Die beiden Schalen stammen aus dem 18. beziehungsweise 19. Jahrhundert. „Über diese großzügige Spende hat sich die Kirchgemeinde sehr gefreut“, beteuert Pastorin Christina Söller.
Mit einem festlichen Gottesdienst war der Taufengel nach Abschluss der aufwändigen Restaurierung Anfang des Jahres eingeweiht worden. Seither schwebt das Mariele nun wieder unterhalb der Decke des Kirchenschiffs. Am vergangenen Sonntag wurde der Engel bei einer Taufe herabgelassen und vor dem Altar aufgestellt. Die kleine Sarah war der erste Täufling, bei dem der göttliche Bote die Taufhandlung begleitete.
„Der Engel bleibt auch während des ganzen Taufgottesdienstes vor dem Altar stehen. Würde er oben schweben, lenkt er die Aufmerksamkeit der Gottesdienstbesucher auf sich. Und weil das Stahlseil, an dem die Figur hängt, immer leicht pendelt, dreht sich der Engel ganz allmählich. Manche könnten daraus gerade bei einer Taufe eine Deutung ableiten. Und das wollen wir vermeiden“, meint die Pastorin. Auch die politische Gemeinde hat sich übrigens an den Restaurierungskosten für den Taufengel beteiligt.
Quelle:
„Meininger Tageblatt“
Text & Fotos: Karla Banz
Hinweis:
Eine erneute Restaurierung 2016/2017 hatte die Konservierung und Restaurierung der historischen Farbfassung und die Fassung der ergänzen Holzteile zum Ziel. So komplett schwebt der Taufengel nun seit 2017 wieder in der Ellingshäuser Kirche.

